Hallo LynnLectis:
Die gestörten Ameisen trugen nach der Störung ihre Puppen herum, aber sie sind nicht weit weggezogen, sondern siedelten gleich ins nahe Erdreich um zwischen Sitzplatz und aufgerissenem Boden, den ich füllte. Eigentlich sollten sie so noch bessere Bedingungen haben, Stabilität durch die kleinen Steine, aber auch neue Erde.
Ameisen der verschiedenen Verwandtschaftsgruppen verhalten sich gegenüber einem „gestörten“ Nistplatz ganz unterschiedlich!
Manche, wie
Tapinoma erraticum, ziehen sehr rasch um und suchen unter Umständen sogar bevorzugt gestörte Stellen auf, wo die Konkurrenz durch andere Arten geringer ist.
Die meisten Arten bevorzugen Nistplätze, die
längere Zeit ungestört geblieben sind, Wochen, Monate,
sogar Jahre!
Lasius niger oder
Formica fusca siedeln gerne unter Steinen, wild abgelagertem Müll (s. Bild 1 hier:
viewtopic.php?f=46&t=1042), aber nicht sofort: Das muss sich alles erst mal etwas „gesetzt“ haben. So wird
L. niger auch nach einiger Zeit (Wochen, Monate) in Deinen aufgefüllten Bereich einziehen!
Vor allem kleinere Arten,
Temnothorax tuberum,
Myrmecina graminicola,
Stenamma debile und andere, findet man fast nur an Stellen, wo sich über mehrere bis viele Jahre nichts geändert hat, wo z. B. Steine, die in den Boden eingesunken und von Wurzeln umwachsen, teilweise von Pflanzen überwachsen sind. Dreht man so einen Stein um und legt ihn danach auch noch so sorgfältig zurück, sind die Ameisen am nächsten Tag weg, und kommen auch nicht zurück!
Bei der Suche nach Sozialparasiten z. B. von
Temnothorax unifasciatus mussten wir sehr viele Nester (in Steinspalten, Natursteinmauern etc.) öffnen und wieder möglichst sorgfältig verschließen: Nur in etwa jedem zehnten Wirtsnest war die Parasitenart anzutreffen, oft noch viel seltener. Aber es war zwecklos, z. B. an demselben Trockenhang im folgenden Jahr wieder zu suchen: Man findet hauptsächlich leere Nester! (Es gab Anzeichen, dass die Völkchen nicht eingegangen sind, sondern in für uns weniger leicht zugängliche Nistgelegenheiten umgezogen sind, etwa in Steinspalten, die sich nicht öffnen ließen). So haben wir bei mehrjährigen Untersuchungen denselben Fundort in der Regel erst nach 3-4 Jahren wieder aufgesucht. Zum Glück sind Vorkommen solcher Arten meist recht ausgedehnt, so dass man ohne Probleme wechseln kann.
Gößwald hat in den 1950er Jahren geschrieben, dass eines seiner „besten“ Ameisengebiete bei Würzburg, ein steiniger Trockenrasen, entwertet wurde, als über mehrere Jahre dort Pfadfinder die Steine immer wieder zur Umrandung von Lagerfeuern etc. verlagert hatten.
Ich selbst konnte beobachten, dass in der Umgebung einer Universitätsstadt, nachdem sich dort eine große Forschungsgruppe für Ameisen etabliert hatte, in den mir bekannten Habitaten dank der intensive Suchtätigkeit interessierter Studierender bald nur noch „Allerweltsarten“ vorhanden waren, während die für mich interessanteren „kleinen“ Arten verschwanden. Sie wurden nicht etwa weggesammelt, sondern gingen aufgrund der dauernden Störungen ihrer normalen Nistgelegenheiten zurück. Vermutlich werden solche schwachen Völker auch durch aggressivere Nachbarn ausgerottet, wenn ihr einigermaßen sicheres, gut verbarrikadiertes Nest für andere Arten zugänglich gemacht wird. - Die Natur ist doch ziemlich komplex!
MfG,
Merkur