Ameisenverbrauch in der Haltung, Forschung, …"Das ist Entomologie mit Leidenschaft!" Der
Beitrag blieb nicht unkommentiert.
Im
„Ameisen an die Macht“-Server äußert sich ein User kritisch dazu,
wie viele Ameisen für die Forschung verbraucht werden, im Vergleich zu den wenigen, die für die Hobby-Haltung draufgehen, etwa wenn beim Ausgraben von Ameisenvölkern Arbeiterinnen nutzlos zurückbleiben.
Was zwei Forscher schon alleine an Präparaten in ihrem Leben produzieren sieht man hier: https://www.npr.org/sections/thetwo-way ... 6736602799 Mehr als eine Millionen Präparate, man kann also davon ausgehen, dass dafür noch viel mehr Insekten sterben mussten, da ja nicht jedes gesammelte Insekt auch als Präparat geeignet ist.
Soll jetzt auch kein Zeigefinger sein, aber ich finds immer goldig, wenn man sich irgendwo über die privaten Halter aufregt und dann guckt man mal an, wie viel die Forschung so verbraucht.
Ich glaub da muss man dann nicht um ein paar hundert Ameisen trauern, die evtl. dann im Boden zurückbleiben...
Vorab: Die Entnahme von Ameisen für die private Haltung gefährdet nicht den Bestand an Ameisen im Freiland. Zumindest bisher lässt sich eine solche Gefährdung nicht erkennen, obwohl ja inzwischen gewaltige Mengen an Ameisen für Hobby-Zwecke gesammelt werden. Eine unbekannte Menge verendet bereits beim Transport, im „Lager“, oder schließlich beim Halter.
Auch wenn die Angaben über Koloniegrößen von mehreren Hunderttausend bis zu Millionen gelegentlich übertrieben sein dürften, so kann ein Halter mit vielen Kolonien über wenige Jahre bereits so viele Ameisen verbrauchen, wie das im o.g. Beitrag porträtierte Forscherpaar Insekten in 60 Jahren sorgfältig und aufwändig für die Forschung konserviert hat; Schätzwert 10 Millionen US-$!
- Die Ameisen in der Haltung werden in aller Regel „entsorgt“, ohne jeglichen Nutzen, abgesehen vom Spaß, den der Halter damit hatte, und abgesehen vom Gewinn der Verkäufer.
Forschung über Ameisen und Insekten allgemein: Taxonomische Forschung benötigt Insekten, um sie beschreiben zu können. Ohne das hätten die Ameisenhalter nicht mal Namen für ihre Tiere, abgesehen etwa von Bezeichnungen wie „Schwarze Ameisen“, „Rote Ameisen“, „Wohlriechende Ameisen“, „Rasenameisen“ und dgl. Trivialnamen, die in jedem Land anders wären. Und Sammlungen sind notwendig, um auch später, nach Jahrzehnten und Jahrhunderten noch vergleichen zu können:
„Ist die Art xyz bereits beschrieben und benannt? Oder habe ich eine wirklich neue Art vor mir? Gab es die Art „xx“ vor 200 Jahren im Gebiet? Kam sie neu hinzu? Ist sie an der Sammelstelle inzwischen ausgestorben?"Ethologie und Physiologie: Kann man nur sehr begrenzt durch Zuschauen im Freiland erforschen. Dazu müssen Tiere aus dem Freiland ins Labor genommen werden, um sie unter definierten Bedingungen in entsprechenden Versuchsanordnungen zu beobachten. Für Biochemische und molekulargenetische Untersuchungen werden die Tiere i.d.R. getötet; Vergleichsexemplare („voucher specimens“) werden konserviert, im Idealfall in Museen. Ergebnisse werden publiziert, d.h. der Allgemeinheit dauerhaft zugänglich gemacht, anders als die in der Hobby-Haltung gemachten Beobachtungen, die allenfalls in vergänglichen Forenbeiträgen
erwähnt werden.
Ökologische Untersuchungen: Hierzu werden vielfach Fallenfänge durchgeführt, mit Bodenfallen, Netzen, Lichtfallen etc.. Es geht nicht anders, und wie in jüngerer Zeit gezeigt wurde, lässt sich der Rückgang der Insektenfauna über die Jahre bereits in der Zahl und im Gesamtgewicht der (oft unbestimmten) Fänge darstellen. Auch diese Ergebnisse werden ordnungsgemäß dokumentiert und veröffentlicht.
Angewandte Forschung: Viele Insektenarten, Parasiten bei Mensch und Tier, Überträger von Krankheiten, landwirtschaftliche Schädlinge wie Heuschrecken oder Pflanzenläuse usw. müssen bekämpft werden. Dazu müssen Experimente mit diversen Giften durchgeführt werden (möglichst mit dem Ziel selektiver Wirkung), oder mit „Nützlingen“, Pilzen, Bakterien, Viren, usw.. Vielfach geschieht das mit gezüchteten Insekten, doch z. B. für die Entwicklung von "Ameisenmitteln" greift man auf Freilandameisen zurück, da sie sich nicht züchten lassen. - Ohne diese Forschung wäre es bereits heute nicht mehr möglich, die Menschheit zu ernähren!
Massen“verbrauch“ von Insekten:
Jeglicher Einsatz von Pestiziden, ob gegen Kopf- oder Pflanzenläuse, Heuschrecken, Mücken, Schädlinge und Lästlinge in Haus und Heim, invasive Ameisenarten … hat den Tod von Myriaden Insekten, leider auch von „Nichtziel-Organismen“, zur Folge.
Auch zum Nutzen von Forschungs-Kritikern!Insekten als Nahrung: Werden in manchen Kulturen bereits lange verbraucht. Neuerdings propagiert man Insekten als Bestandteil der menschlichen Ernährung. Wie sich das entwickelt, bleibt abzuwarten.
Immerhin handelt es sich zumeist um gezüchtete Insekten. Doch die lassen sich nicht nur auf Abfällen züchten. Futter muss zum Teil auf landwirtschaftlichen Flächen erzeugt werden.
Insekten als Verkehrsopfer: Es sind nicht nur die auf der Windschutzscheibe zerplatzten; viele werden auch überfahren. Dies gilt noch mehr für die zahllosen Insekten und deren Entwicklungsstadien, die in Land- und Forstwirtschaft, bei Fällarbeiten mit dem Harvester und bei der Bodenbearbeitung mit dem Traktor, ungesehen platt gemacht werden, natürlich neben anderen Bodenbewohnern bis hin zu Amphibien, Reptilien, Kleinsäugern. Leider kaum vermeidbar.
Die Liste ließe sich wohl weiter fortsetzen, bis hin zum Verbrauch von natürlichem Lebensraum der Insekten und anderen Tiere für Siedlungen, Verkehr, Industrie, Sport usw..
Ich sehe eigentlich kein vernünftiges Argument dafür, dass auf einem Server für Ameisenhalter
explicit die „Forschung“ als Verbraucher von Ameisen und anderen Insekten
gebrandmarkt wird.
Das lässt doch eher auf eine eingeschränkte Weltsicht schließen. - Eine gewisse Feindseligkeit gegenüber Forschung und Forschern wurde leider bereits seit Beginn der kommerzialisierten Ameisenhaltung zur Tradition in einigen Ameisenforen, oft dann verbunden mit der Klage über mangelnde Unterstützung des Hobbys durch die Ameisenforschung.
Wen wundert's?MfG,
Merkur