Genetisch bedingte Missbildungen bei AmeisenEin
Thread im Antstore-Forum über eine Fühlerdeformation bei
Messor zeigt, dass über die Ursachen solcher Missbildungen Unklarheiten bestehen.
Insbesondere wird über eine möglicherweise genetische Ursache diskutiert.
Ein vergleichbares Beispiel hatte ich bereits 2006
hier vorgestellt.
- Manica rubida mit Fühlermissbildung, Fotos von H. Müller
Ähnliche Missbildungen wurden wiederholt in der Literatur beschrieben, z. B. von H. Kutter (1986): Über Anomalien einheimischer Formiciden. -
Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 59, 229-238.
Link.
- "Kältekrüppel" aus H. Kutter (1986)
Andere Missbildungen, z. T. bis hin zum Fehlen von Körperteilen, gehen oft auf mechanische Beschädigungen von Larvenstadien zurück), vgl.
hier.
Alfred Buschinger & Heide Stoewesand (1971): Teratologische Untersuchungen an Ameisen (Hym., Formicidae). Beitr. Entomol. 21, 211-241.
Die Veröffentlichung
Buschinger (1997) zeigt einen dokumentierten Fall von genetisch bedingten Missbildungen bei einer Ameisenart.
Fühler und Beine sind betroffen, bei ziemlich genau der Hälfte der Männchen. (Das wurde auch 2014 bereits einmal
hier im AP thematisiert). Ein für die Missbildungen verantwortliches
Allel
cl (für „crippled legs) ist recessiv, die normale Wildform
cl+ ist dominant. Die Mutter dürfte für dieses Allel heterozygot gewesen sein:
cl+/cl.
Das dominante
cl+ bewirkt, dass Jungweibchen und Arbeiterinnen äußerlich gesund sind. Männchen entstehen aus unbefruchteten Eiern, wobei ca. die Hälfte der Eier
cl+ enthält (daraus entstehen normale Männchen), während die Männchen aus Eiern mit dem Allel
cl die Missbildungen aufweisen. Das "defekte" Allel kann sich hier auswirken, da es nicht durch das normale
cl+ kompensiert wird. - So weit die Hypothese!
Anmerkung: Das "Gen"
cl+ bzw.
cl ist nicht offiziell so benannt, ich habe es hier nur zur Verdeutlichung so bezeichnet. Weiterzucht mit den Jungtieren wäre wünschenswert gewesen, war aber damals aus zeitlichen Gründen nicht möglich.
Die Jungweibchen dürften je zur Hälfte
cl+/cl+ bzw.
cl+/cl gewesen sein. Die
cl -Männchen wären vermutlich nicht zur Kopula fähig gewesen. Aber
cl+/cl -Weibchen x
cl+ -Männchen hätte wieder
dieselbe genetische Disposition wie bei dem ursprünglichen Muttertier ergeben, d. h. ein äußerlich normales Volk, bei dem ca. 50% der männlichen Nachkommen missgebildet gewesen wären, während Völker mit
cl+/cl+ -Weibchen nur normale Männchen produziert hätten. Ich füge hier die Originalarbeit ein:
- Buschinger (1997), aus BembiX, S. 34-35
- Buschinger (1997), aus BembiX, S. 36
MfG,
Merkur