Weithin scheint man in den Ameisenforen unter „in Eicheln nistende Ameisen“ fast ausschließlich die in Europa lebenden Temnothorax-Arten zu verstehen, insbesondere die im Handel zu findenden
T. nylanderi und T. crassispinus.
Diese sind durch eine „Standard-Lebensweise“ gekennzeichnet, monogyne, kleine Völker, selbständig, mit claustraler Koloniegründung, oft in hohlen Eicheln, Haselnüssen, dürren Zweigen oder in Borke nistend.
Nun fragt ein User in diesem Thread im Ameisenforum:
» 8. März 2023, 14:10 « In Eicheln nistende Ameisen
Ich hab da eine Frage zu Temnothorax die mich schon lange beschäftigt…
In allen Videos die ich von dieser Art gesehen hab war sehr viel Brut und laut MyAnts vermehren sie sich auch sehr schnell und eine Arbeiterin soll eine Lebenserwartung von 1-2 Jahren haben. Warum bleiben die Kolonien dann so klein?
Ich hab noch nie geflügelte Geschlechtstiere bei dieser Art gesehen, könnte mir deshalb vorstellen dass sie sich aufteilen wenn sie eine gewisse Grösse haben aber das würde zu Inzucht führen…
Oder fressen die jungen Ameisen von Zeit zu Zeit ihre älteren Schwestern? (Bei Eciton Burchelli soll das alle paar Wochen passieren)
Oder gibt es sonst ein Grund den ich nicht auf dem Schirm habe?
Würde mich über Aufklärung dieses Rätsels sehr freuen!
Es gibt dort im Moment eine Antwort. Doch wäre es an der Stelle sinnvoll anzugeben, dass „Temnothorax“ eine RIESIGE Gattung ist, mit derzeit laut AntWiki 497 validen Arten. Insbesondere nach der Revision der Myrmicinae von Ward et al. 2014 enthält die Gattung nun Vertreter mit gänzlich abweichenden Lebensweisen (u. a. Sklavenhalter und permanent parasitische, zum Teil arbeiterinlose Arten). Auch leben längst nicht alle Arten in Eicheln oder ähnlichen Nistgelegenheiten.
Hier kopiere ich mal ein paar Ausschnitte der Checkliste im AntWiki ein. Sie enthält alle 497 validen Arten der Gattung Temnothorax, alphabetisch nach Art-Epithet gelistet, jeweils mit Verbreitungsangabe. Jede Art lässt sich anklicken, was zu einer eigenen Seite mit speziellen Informationen führt.
Z. B. unter A:
abeli (Fontenla Rizo, 1998) (Cuba, Greater Antilles)
achii Prebus, 2021 (Guatemala)
acuminatus Prebus, 2021 (Mexico)
acutispinosus Prebus, 2021 (Honduras, Mexico)
*) 1 adlerzi (Douwes, Jessen & Buschinger, 1988) (Greece)
adustus (Mackay, W.P., 2000) (Mexico, United States)
aeolius (Forel, 1911) (Bulgaria, Greece, Israel, Turkey)
*) 2 affinis (Mayr, 1855) (Andorra, Austria, Belarus, Belgium, Bulgaria, Croatia, Cuba, Czech Republic, France, Georgia, Germany, Greece, Hungary, Iberian Peninsula, Italy, Luxembourg, Montenegro, Netherlands, Poland, Portugal, Republic of Moldova, Romania, Russian Federation, Slovakia, Slovenia, Spain, Switzerland, Turkey)
…
*) 3 ambiguus (Emery, 1895) (Canada, United States)
*) 4 americanus (Emery, 1895) (United States)
…
Unter N:
normandi (Santschi, 1912) (Tunisia)
nuwuvi Snelling, Borowiec & Prebus, 2014 (United States)
*) 5 nylanderi (Foerster, 1850) (Andorra, Armenia, Austria, Azerbaijan, Belgium, Denmark, France, Georgia, Germany, Iberian Peninsula, Jersey, Montenegro, Netherlands, Norway, Poland, Portugal, Republic of Macedonia, Russian Federation, Spain, Sweden, Switzerland, Ukraine, United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland)
Usw.
Anmerkungen:
*) 1: Sozialparasit ohne eigene Arbeiterinnen, tötet Wirtskönigin durch Würgen am Hals. Ehemals Gattung Myrmoxenus. Unter T. ravouxi: eine verwandte, Sklaven haltende Art: https://ameisenwiki.de/index.php/Myrmoxenus_ravouxi.
*) 2: Selbständige Art, nistet in dürren Ästchen in Baumkronen oder in Borke.
*) 3: Selbständige Art, eine der typischen „acorn ants“, eine der Wirtsarten für *) 4
*) 4: Sklavenhalter. Ehemals Protomognathus americanus. https://ameisenwiki.de/index.php/Protomognathus_americanus.
*) 5: Selbständig, in Eicheln etc. nistend, die häufigste bei uns vom Handel angebotene Art.
Es wird wohl deutlich, dass man kaum Angaben machen kann, die für alle Arten der jetzigen Gattung Temnothorax zutreffen würden!
Was die Händler zu ihren Angeboten sagen, betrifft allenfalls die wenigen Arten, die sie kennen, und selbst dabei gibt es Lücken und falsche Informationen.
Es ist daher doch in jedem Fall zu empfehlen, die im Netz leicht auffindbaren Angaben aus wissenschaftlich geführten Quellen zu Rate zu ziehen.
MfG,
Merkur